Pflicht zum Ungehorsam? – Sekundarschüler spielen Mauerschützenprozess nach

Gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der 10. Klasse der Evangelischen Sekundarschule Magdeburg gestaltete der Buchautor und Filmemacher Roman Grafe am 29. November 2016 eine Geschichtslektion der besonderen Art:

Er machte den ersten Prozess gegen Mauerschützen der DDR in einem Rollenspiel erfahrbar.Dieser Prozess fand 1991/92 im Kriminalgericht Berlin-Moabit gegen den Todesschützen im Fall Chris Gueffroy statt. Chris Gueffroy war der letzte DDR-Flüchtling, der an der Berliner Mauer noch im Februar 1989 erschossen wurde.
Die beteiligten Schülerinnen und Schüler versetzten sich unter Anleitung des Referenten in verschiedene Rollen: Richter, Staatsanwalt oder Verteidiger, Angeklagter oder Nebenkläger bis hin zu Vertretern der Öffentlichkeit im Publikum und auf der Pressebank.
Am Ende stellte sich die Frage nach einem angemessenen Urteil – und das fiel mit vier Jahren Freiheitsstrafe trotz des überzeugenden Auftritts des Angeklagten, dargestellt von Vincent (17 Jahre), sechs Monate höher aus, als das im Januar 1992 tatsächlich festgelegte Strafmaß. „Das Töten eines Menschen, auch wenn es von oben befohlen wird, ist moralisch verwerflich und muss geahndet werden“, so die Begründung von Joel (16 Jahre) in der Rolle des Richters.
Roman Grafe hat als Journalist für die ARD und die „Süddeutsche Zeitung“ die Prozesse gegen DDR-Grenzschützen und ihre Befehlsgeber dokumentiert und dazu 2004 ein gleichnamiges Buch veröffentlicht. Den Jugendlichen der Evangelischen Sekundarschule Magdeburg bescheinigte er am Ende eines intensiven Projekttages eine klare Haltung.